Wenn man an professionelle Filmproduktion denkt, kommt einem selten eine Open Source Software in den Sinn. Doch wer Blender noch immer als Spielzeug für Anfänger abtut, verpasst eine Entwicklung mit enormem Potenzial. In unserem Studio setzen wir Blender immer öfter als zentrales Werkzeug in der Postproduktion und bei visuellen Effekten ein. Nicht trotz, sondern gerade wegen seiner Vielseitigkeit, Geschwindigkeit und seiner, von der Community angetriebenen, Innovationskraft.
In einem Werbespot für einen Automobilhersteller sollte eine ikonische Stahlbrücke unter dramatischen Wetterbedingungen einstürzen. Aber komplett in CGI. Einen echten Brückensprengsatz konnte das Budget nicht abdecken. Blender konnte es.
Zum Einsatz kommen mehrere fortgeschrittene Funktionen:
- Geometry Nodes für den modularen Aufbau der Brücke
- Rigid Body Simulation für das realistische Zusammenbrechen einzelner Elemente
- Mantaflow für Rauch, Staub und Atmosphäre
- Cycles mit adaptivem Sampling für hochwertigen Output bei kurzer Renderzeit
- Compositing direkt in Blender für Tiefenschärfe, Bewegungsschärfe und Lichteffekte
Das Ergebnis: eine Szene mit fotorealistischer Wirkung, die sich, bei deutlich weniger Aufwand, nicht hinter Produktionen mit Houdini oder Maya verstecken muss.
Hier zeigen wir einen konkreten Ausschnitt aus unserem Workflow. Direkt anwendbar für fortgeschrittene Nutzer.
1. Brückenelement aufbauen
- Neues Empty Objekt erstellen (Shift + A -> Empty -> Plain Axes)
- Würfel hinzufügen (Shift + A -> Mesh -> Cube)
- In den Modifiereinstellungen Geometry Nodes hinzufügen
2. Geometry Nodes Setup
- Geometry Nodes Editor öffnen (Shift + F3)
- Diese Nodes verwenden:
*Grid (als Grundfläche)
*Instance on Points (für wiederholte Trägerstruktur)
*Transform Instances (zur Anpassung der Rotation und Skalierung)
*Attribute Randomize (für kleine, realistische Abweichungen)
Tipp: Mit Alt und rechter Maustaste auf Inputs klicken und ziehen, um Werte live zu verändern
3. Vorbereitung für die Zerstörung
- Mit Store Named Attribute benutzerdefinierte Werte speichern (zum Beispiel für spätere Bruchpunkte)
- Szene als Alembic exportieren oder direkt in die Rigid Body Simulation überführen
4. Physik Simulation mit Rigid Bodies
Alle Teile auswählen (Taste A)
F3 drücken -> „Rigid Body hinzufügen“ -> Typ: Active
Bodenplatte als Passive festlegen
Tipp: Shift + L für Auswahl ähnlicher Objekte
5. Staub und Rauch mit Mantaflow
Shift + A -> Quick Effects -> Quick Smoke
Die kollabierenden Teile als Quelle setzen (Flow Type: Smoke, Flow Source: Mesh)
Tipp: Mit Taste Z dann 8 (Rendered View) das Ergebnis in Echtzeit prüfen
Effizient bleiben: Prozedurale Assets speichern
- Geometry Node Setup als Asset markieren (Rechtsklick auf Node Group -> Mark as Asset)
- Im Asset Browser (Shift + F1) kann es später wiederverwendet werden
1. Mehr Freiheit durch nichtlineares Arbeiten
Geometry Nodes ermöglichen flexibles, prozedurales Arbeiten ohne komplizierte Workarounds. Kein Zwang zu starren Abläufen wie in vielen kommerziellen Tools.
Tipp: Attribute Capture verwenden, um Werte wie Positionen von Zerstörung oder Interaktion zu speichern und gezielt weiterzunutzen
2. Eevee und Cycles im perfekten Zusammenspiel
Eevee ist schnell und ideal für Look Development oder Previews. Danach einfach umstellen auf Cycles für fotorealistische Ergebnisse. Mit aktueller GPU Hardware ist sogar 4K Animation in Stunden statt Tagen möglich.
Tipp: Gleiche Shader in Eevee und Cycles verwenden, das spart viel Zeit in der Abstimmung
3. Strukturierter Aufbau großer Szenen
Der Asset Browser, Scene Linking und Overrides machen Blender absolut studiotauglich. Saubere Dateistruktur, klare Trennung von Assets und Szenen.
Tipp: Python Skripte verwenden, um den Import und das Setup automatisiert abzuwickeln
Blender ist längst kein Nischentool mehr. Es ist ein vollständiger Produktionsbaukasten, der sich mit den Großen messen kann und dabei offen bleibt für individuelle Erweiterung, Automatisierung und moderne Workflows. Wer Blender versteht, kann Projekte schneller, günstiger und oft sogar besser realisieren als mit klassischen, teuren Softwarelösungen.
Zusätzliche Tipps aus der Produktion
- Blender als zentrales VFX Werkzeug nutzen: Mit Alembic und OpenEXR perfekt kombinierbar mit Houdini, Nuke oder Davinci Resolve
- Farbmanagement: Filmic nutzen oder auf ACES umstellen – besonders bei HDR wichtig
- Eigene Addons entwickeln für wiederkehrende Aufgaben (z. B. Szenenaufbau, Tracking Setups, Kamerapresets)
- Empfehlenswerte Plugins: Geo Scatter, Flip Fluids, Machin3 Tools – sparen massenhaft Zeit
Neugierig geworden? Wir gestalten eure Visionen, einfach melden und wir legen los! studio@lightingandthunder.com